DEVOTIO MODERNA

Die religiöse Erneuerungsbewegung, die später Devotio moderna genannt wurde, ging von dem niederländischen Buß- und Reformprediger Geert Groote (1340-1384) aus. 

 

Groote stammte aus einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie in Deventer. Seine Eltern starben früh an der Pest. In Paris studierte Geert Theologie und Kirchenrecht. Als Magister und Kanonikus kostete er ein sorgenfreies Leben in hoher Gesellschaft aus. Sein Ruf als hochgebildeter Mann und hervorragender Redner führte ihn in mehrere Städte Mitteleuropas, bis er - nach einer Begegnung mit dem Kartäuser Heinrich Eger aus Kalkar um 1374 - einen Bruch mit seinem bisherigen Leben vollzog. Sein Handeln und sein Vermögen stellte er nun völlig in den Dienst einer neuen Idee, die auf ein Gott geweihtes Leben in Demut, Bescheidenheit und Zurückgezogenheit gerichtet war, ein Leben ohne Gelübde, getragen aber von einer tiefen Innerlichkeit, einer ganz persönlichen, auf Christus gerichteten Frömmigkeit. Er gewann als Wanderprediger und Diakon großem Einfluss.

 

In einer Zeit, die wegen des Großen Schismas, des drohenden Auseinanderfallens der Kirche, aus den Fugen geraten war, lehrte er überzeugend Mäßigung und eine praktische Nachfolge Christi. Groote stellte sein eigenes Haus in Deventer für die erste Gemeinschaft der Schwestern vom gemeinsamen Leben zur Verfügung, ihr folgte sehr schnell eine Brüdergemeinschaft, und in überaus rascher Folge entstanden nun Schwestern- und Brüderhäuser zunächst in den Städten der Umgebung Deventers. Sie wurden zum Anziehungspunkt für junge Menschen, die aus größeren Entfernungen kamen, um sich den neuen Lebensformen anzuschließen. In wenigen Jahren erfasste die Bewegung die gesamte Niederlande und das Deutsche Reich, vor allem dessen Nordwesten. Nur kurze Zeit später formierte sich auch ein monastischer Zweig dieser Bewegung, die reformierten Augustiner-Chorherren (und -Chorfrauen) Windesheimer Kongregation, die sich in ganz ähnlicher Geschwindigkeit wie die Laienhäuser verbreiteten.

 

Geert Groote, der nicht zuletzt eine „innerliche“ Reform der gesamten Kirche und des Klerus forderte, hatte nicht nur eine große Gefolgschaft, sondern auch einflussreiche Gegner, vor allem die im Konkubinat lebenden und/oder um ihre Macht bangenden Kleriker. 1383 wurde beim Bischof von Utrecht ein Predigtverbot für Nichtpriester durchgesetzt, das Groote mundtot machen sollte. Er wehrte sich, u.a. mit einer Petition an den Papst, starb jedoch bereits am 20.8.1384 an der Pest.

 

Zu den namhaften Vertretern der Devotio moderna gehören neben Geert Groote Florens Radewyns, Gerhard Zerbolt von Zütphen und insbesondere Thomas von Kempen, dem es gelang, mit seinen Schriften zur konkreten Frömmigkeit und persönlichen Nachfolge Christi in Demut und Verzicht bis heute und über Konfessionen, Glaubensrichtungen und Kulturkreise hinaus gottsuchende Menschen anzusprechen und anzuleiten.

 

Die Strahlkraft der Devotio moderna als Lebensform und Ordensrichtung hielt bis ins frühe 16. Jahrhundert an, danach gab es kaum noch Neugründungen oder Neubesetzungen von Laienhäusern und Stiften. Einzelne Häuser überdauerten bis ins 19. Jahrhundert, 1961 wurde die Windesheimer Kongregation von der Konföderation der Augustiner-Chorherren wiederbegründet

 

In ihrer Rückbesinnung auf die Innerlichkeit als persönliche Grundlage des Glaubens stellt sich die Devotio moderna in die Reihe christlicher Erneuerungsbewegungen von der Mystik bis hin zum Pietismus und darüber hinaus. Historisch einzigartig blieb die Devotio moderna durch die Vehemenz, mit der sie sich in nur wenigen Jahren verbreitete und durch die Einflüsse, die sie in den späteren geistlichen Strömungen hinterließ. Ihre Wirkung bezog sie wesentlich aus ihrem Schrifttum, das in großer Zahl zur Verbreitung der neuen inneren Geisteshaltung und zu deren Einübung entstand.

 

 

Zum Weiterlesen:  

Die "Neue Frömmigkeit" in Europa im Spätmittelalter. Hrsg. von Marek Derwich und Martial Staub. Göttingen 2004 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte, Bd. 205). ISBN 978352535855 9 (teilweise online lesbar).

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